Pfarrer Norbert Feick, Zum download als PDF
Predigt zum Sonntag Rogate
17. Mai 2020
Gnade sei mit euch
und Friede von Gott, unserm Vater und unserm Herrn Jesus Christus.
Liebe Gemeinde!
Der Predigttext steht in Matthäus 6, 5-15: „Jesus lehrte seine Jünger und sprach: Wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, um sich vor den Leuten zu zeigen. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten. Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet. Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“
In Zeiten von Corona ist Handhygiene wichtig. Mindestens 30 Sekunden lang sollen wir Hände waschen, so die Empfehlung. Ein Tipp lautet: „Zwei Vaterunser beten – dann weiß ich, dass ich lange genug Hände gewaschen habe.“ Vaterunser beten beim Hände waschen? Warum nicht? Das stille Gebets-Kämmerlein, von dem Jesus spricht, muss nicht ein eigener Mediationsraum sein mit Kerze, Kreuz oder Klangschale. Beten kann ich auch im Badezimmer, weil Gott weiß, was ich brauche, bevor ihr ihn bitte. Gott braucht unsere Gebete nicht, aber wir brauchen sie, um uns einzuüben in das Vertrauen zu Gott.
Das Vaterunser ist so ein Vertrauensgebet. An vielen Orten und in vielen Sprachen beten Menschen diese Worte. Es spannt die Seele aus zwischen Himmel und Erde. Den Blick richtet es nach oben. Es führt uns zu Gott und zu uns selbst.
Von der Anrede Gottes als Vater über alle sieben Bitten bis zum großen Lob und dem Amen erklärt Martin Luther wie ein „Frage und Antwort-Spiel“ das komplette Vaterunser.
„Vater unser im Himmel.“ Was ist das? Gott will uns damit locken, dass wir glauben sollen, er sei unser rechter Vater und wir seine rechten Kinder, damit wir getrost und mit aller Zuversicht ihn bitten sollen wie die lieben Kinder ihren lieben Vater. Luther betont das kindliche Vertrauen im Gebet.
„Geheiligt werde dein Name.“ Was ist das? Gottes Name ist heilig; aber wir bitten in diesem Gebet, dass er auch bei uns heilig werde. Glaube ist kein Spiel, Beten kein Zeitvertreib, beide erheben den Anspruch unser Leben im Vertrauen auf Gott zu gestalten und dadurch wird Gott Name geheiligt.
„Dein Reich komme.“ Was ist das? Gottes Reich kommt ohne unser Gebet und unser Zutun von selbst, aber wir bitten in diesem Gebet, dass es auch zu uns komme, dass wir es erkennen mögen. Immer dort, wo menschliche Maßstäbe verrückt werden, erkennen wir Gottes Wirken, das Aufkommen seines Reiches. Etwa wenn die Nächstenliebe zum Maßstab unseres Handels wird und nicht unsere eigenen Interessen, etwa wenn wir das Vertrauen an Gott nähren, statt unsere Angst kurz zu kommen. Immer dann leuchtet das Reich Gottes auf, hier zeitlich und dort ewiglich.
„Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.“ Was ist das? Gottes guter Wille geschieht auch ohne unser Gebet und Zutun, aber wir bitten in diesem Gebet, dass er auch bei uns geschehe. Für mich ist Jesu Beten im Garten von Gethsemane beispielgebend. Inmitten der Angst, ahnend, dass es für ihn nicht gut ausgehen wird, vertraut sich Jesus mit all seinen Fragen dem Willen Gottes an. In den folgenden Worten von Dietrich Bonhoeffer entdeckte Ähnliches: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.“
„Unser tägliches Brot gib uns heute.“ Was ist das? Gott gibt das tägliche Brot auch ohne unsere Bitte allen selbst den bösen Menschen; aber wir bitten in diesem Gebet, dass er’s uns erkennen lasse und wir ihm danken für unser täglich Brot. Luther kann in seiner Erklärung diese Brotbitte ausdehnen auf eine gute Regierung, gutes Wetter und Gesundheit, letztlich geht es ihm darum zu erkennen: mein Leben verdankt sich nicht meinem Zutun, sondern der Gnade Gottes.
„Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.“ Was ist das? Wir bitten in diesem Gebet, dass Gott nicht auf unsere Verfehlungen sieht, sondern uns vergibt; so sollen auch andere herzlich vergeben. Die Vergebungsbitte ist die einzige, die einen menschlichen Einsatz fordert. Von hinten nach vorne formuliert kling sie so: Ich will meinem Nächsten vergeben, weil Gott mir vergeben hat und weiterhin vergeben wird. Das Maß von Gottes Vergebung hängt nicht an meiner Vergebungsbereitschaft, wohl aber fordert Vergebung immer auch mein Einverständnis.
„Und führe uns nicht in Versuchung.“ Was ist das? Erst kürzlich hat noch einmal Papst Franziskus festgestellt: Gott versucht niemanden. Also, was soll diese Bitte? Wir bitten, dass uns Gott behüte und uns stärke in allen Bedrängnissen. Sah Luther hinter jeder Versuchung den Teufel am Werk, reden wir heute von Sucht, Verlangen, Gier, Neid, Eifersucht, etc. und bitten Gott darum, dass wir widerstehen.
„Sondern erlöse uns von dem Bösen.“ Was ist das? Luthers brillante Erklärung im Original: „Wir bitten in diesem Gebet, dass uns der Vater im Himmel vom Bösen und allem Übel an Leib und Seele, Gut und Ehre erlöse und zuletzt, wenn unser Stündlein kommt, ein seliges Ende beschere und mit Gnaden von diesem Jammertal zu sich nehme in den Himmel.“
„Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“ In einer Vergewisserung und Bekräftigung erfolgt das vertrauensvolle Ende eines jeden Gebets Amen: Was heißt Amen? Ja, so soll es geschehen, darum bitte ich Gott und erwarte gespannt auf sein Wirken.
Dann öffnet sich Gebets-Kämmerlein wieder und wir kehren zurück in unsere Welt, gestärkt und voller Vertrauen in Gottes Handeln. Auf das Vertrauen, dass Gott es gut meint, darauf kommt es beim Beten an. Alles andere ist zweitrangig.
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserem Herrn.
Amen